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Verfahren eingestellt

Ginevra

Verfahren ist eingestellt

Fühle mich blossgestellt

Zu wenig Beweise

Zu hoch sind die Preise

Ihn anständig zu bestrafen

Hat die Polizei geschlafen?

Er gibt es zu, reicht das denn nicht

Ist doch ihre Pflicht

Ihm seine Sicht

Ihm sein Licht

Zu nehmen

Er soll sich schämen

Mir wurde alles genommen

Es gibt kein Entkommen

In meinem Kopf

Ist kein Knopf

Das ganze abzuschalten

Ich werde aufgehalten

Von mir selbst

Kennst du das, wenn du fällst?

Es gibt keinen Halt

Bis es knallt

Ich liege am Boden

Schaue nach oben

Eine Träne in meinem Auge

Ob ich wohl zu etwas tauge?

Die Situation macht mich kaputt

Alles liegt in Schutt

Die Polizei, dein Freund und Helfer

Will auch nur die Gelder

Fühle mich alleingelassen

Tragen alle Masken?

Keiner zeigt sein wahres Gesicht

Bis dann vor Gericht

Keiner kümmert sich um die Verletzten

Seien selber die Gehetzten

Keine Zeit

Für euer Leid

Keine Zeit

Auch wenn eine schreit

Nach Hilfe.

Meine eigene Schuld

Ginevra

Ich war bei der Polizei. Ich hatte den Mut, darüber zu reden. Und dann habe ich einen Rückschlag erlitten. Ich hätte alles anders machen sollen, denn nun wird es hingestellt, als wäre ich selbst schuld. Selber schuld an dem Verbrechen, das an mir ausgeführt wurde. Alles mein Fehler. Ich habe mich zu wenig gewehrt, habe es zu wenig realisiert, habe folglich zu wenig reagiert. Ich hasse es, dass das Gesetz sich nicht in die Opfer hineinversetzt. Das Gesetz schützt die Täter und stellt die Geschädigten als Schuldige hin. Weil sie sich zu wenig gewehrt haben, es zu wenig realisiert haben, folglich zu wenig reagiert haben.

Es hat mich so unglaublich viel Überwindung gekostet, zur Polizeistelle zu gehen und auszusprechen, was mir passiert ist. Aber alles was dabei rausgekommen ist, ist noch mehr Schmerz. Ich habe mir selber schon die ganze Zeit eingeredet, dass es alles mein Fehler war. Dass ich es einfach missverstanden habe, schliesslich war ich mit ihm zusammen. Dass er es gar nicht so gemeint hat, schliesslich wollte er mir bloss seine Liebe zeigen.

Aber hätte er dann wirklich kein nein akzeptiert? Hätte er dann wirklich weitergefragt bis ich nicht mehr konnte? Hätte er dann wirklich weitergemacht, obwohl ich weinte?

Hätte er mich dann wirklich vergewaltigt?

Ich muss es aussprechen, denn es fühlt sich nicht real an. Ich habe diesen Jungen geliebt, aber er hat mich bloss für meinen Körper benutzt. Hätte er das nicht wenigstens mit einer machen können, die ihn gerne mit ihrem Leib befriedigt? Hat er sich wirklich das wehrlose Kind ausgesucht, das so schlecht im Neinsagen ist? Ich habe es ja probiert, das Neinsagen. Wieder und wieder habe ich versucht, es ihm klarzumachen, aber wieder und wieder hat er es ignoriert und weitergefragt. Mich weiter unter Druck gesetzt. Schliesslich wollte ich ja nicht, dass es ihm schlecht geht wegen mir. Weil ich ihn liebte habe ich sein Wohl über meins gestellt, und das hat er ausgenutzt. Er wusste, wie er mich dazu bringen konnte, mit ihm zu schlafen. Er wusste, dass ich nicht wollte, aber er wusste auch, dass ich irgendwann keine Kraft mehr habe, nein zu sagen.

Er wusste, was er in mir anrichtet.

Und er bekommt keine Strafe dafür, denn es war meine eigene Schuld.

Zu jung

Ginevra

Wenn sie einem Mann begegnet hat sie Angst. Sie fürchtet sich vor vielen Dingen, aber vor der Berührung eines Mannes am meisten. Sobald ihr einer zu nahe kommt, weicht sie zurück, wechselt in eine Abwehrhaltung. Sie beginnt zu zittern und muss sich zusammenreissen, um nicht lauthals loszuschreien.

Diese Angst kommt nicht von ungefähr. Sie hat viel erlebt – viel zu viel für ihr zartes Alter. Nichts und niemand hat den Männern das Recht gegeben, sie anzufassen.

Keiner hat ihre Tränen beachtet, keiner hat nachgedacht, was es mit ihr machen könnte. Drei Männer haben sie kaputtgemacht.

Mit zwei davon war sie zusammen, also hat sie sich selbst die Schuld gegeben.

Der Erste hat es nach einem Mal verstanden. Fast. Sie war vierzehn.

Der Zweite hat es zwei Jahre lang durchgezogen. Hat sie gezwungen, wieder und wieder mit ihm zu schlafen. Sie war sechzehn.

Der Dritte war 36 Jahre älter als sie. Sie hat es als Missverständnis abgetan. Sie war fünfzehn.

-Sie war zu jung.

Sie will es nicht

Ginevra

Nein, sagt sie, heute will ich nicht. Er fragt sie nochmal. Nein. Nochmal. Nein. Noch fünfundzwanzig Mal. Immer noch nicht? Sie hat keine Energie mehr, nein zu sagen. Also lässt sie ihn machen.

Ich bin zu müde, sagt sie. Er schaut sie an. Aber du musst doch gar nichts machen, nur da liegen. Sie will nicht. Nein, sagt sie. Er berührt sie. Sie hat keine Energie mehr, nein zu sagen. Also lässt sie ihn machen.

Heute will ich, sagt sie. Sie lässt ihn machen. Sie zieht seine Hand weg. Sie will weniger. Er will mehr. Ich will nicht mehr, sagt sie. Er reisst sich los und macht weiter, stärker. Sie hat keine Energie mehr, nein zu sagen. Also lässt sie ihn machen.

Ich will eine Pause von diesen Sachen, sagt sie. Er akzeptiert es. Aber er setzt sie unter Druck. Er braucht es, sonst geht es ihm schlecht. Er fragt oft nach. Bis sie keine Energie mehr hat, nein zu sagen. Dann lässt sie ihn machen.

Sie hat keine Energie mehr, irgendetwas zu sagen. Sie hat keine Chance gegen ihn, er wird immer gewinnen. Ausserdem ist er doch ihr Freund, sie muss das doch wollen.

- Sie will es nicht.

Seine Hände

Ginevra

Sie spürt seine Hände, wann nimmt das ein Ende, sie will das nicht mehr, doch das ignoriert er. Sind seine Finger weg, so bleibt ein Leck, ein Loch das zu tief sitzt, um es zu füllen, sie will doch fühlen, sie will doch spüren, aber auf diese Weise? Sie wird ganz leise, lässts geschehen, treibt ihn nicht zum Gehen, sie muss ihn doch wollen. Nein, sagt sie, nimm mich nicht ein, sagt sie, doch er will nicht hören, lässt sich nicht stören.

Als er ging sass sie in einer Ecke, um sich eine dicke Decke, eine Flasche Wein in der Rechten, hörte auf zu fechten, liess sich schwinden, das wollte sie nicht mehr verhindern, vergessen wollte sie, nur würde sie da nie.

Seine Hände sind immer da, auch Monate nachdem es geschah, sie ertränkt sich in Drogen, das glättet die Wogen, anschliessend fühlt sie nicht mehr, das ist schöner als Urlaub am Meer

My fault?

Ginevra

Is it my fault

If I couldn’t

Say no

After so many times of asking

Is it my fault

If I couldn’t

Say no

After I told myself that I have to like it

Is it my fault

If I couldn’t

Say no

Because you were my boyfriend

Is it my fault

If I couldn’t

Say no

Because I wasn’t strong enough

- Is it all my fault?

Noch nicht zu spät

Ginevra

Ich wünschte du hättest mich da rausgeholt

Immer noch nicht erholt

Habe ich mich

Lass mich nicht im Stich

Schütz mich vor dem Sturm

Sonst komme ich um

Ich habe solche Angst

Ich weiss du verspannst

Beim Gedanken daran

Sie zog dich in ihren Bann

Da ist so viel Wut

Bald kommt die Flut

Sie wird dich mitreissen

Wirst du es gutheissen?

Wieso hast du nichts gemacht?

Nur darüber nachgedacht?

- Rette mich, es ist noch nicht zu spät.

Wann?

Ginevra

Wann habe ich ja gesagt?

Als du das erste Mal hast gefragt?

Vielleicht

Ist doch kinderleicht

Für dich

Mich

Zu berühren

Zu spüren

Auch als ich nein sagte

Fühlte mich wie die gejagte

Fünfundzwanzig nein

Ein unüberlegtes ja

Du ohne weitere Gedanken

Liesst dich in mich einsinken

Ich wollte das nicht

Wollte dass du abbrichst

Hast nicht gehört

Hast mich zerstört.

tausendmal

Ginevra

Habe ich mir 

Genug Zeit um zu überlegen 

Habe ich dir 

Die Erlaubnis gegeben 

Mich zu berühren 

Wollte ich das denn 

Ich kann dir garantieren 

Dass wenn 

Ich das wollte 

Hätte ich ja gesagt 

Beim ersten Fragen aufgehalten 

Doch meine Worte ausgesagt 

Als du tausendmal 

Wieder und wieder 

Du hieltst dich für genial 

Es war mir zuwider 

Aber irgendwann 

Kann ich nicht nein sagen 

Du fühltest dich wie ein Mann 

Am liebsten würde ich um mich schlagen